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persönlicher Kommentar

Lützerath-Proteste: Endzeitstimmung - Gewaltbereitschaft - Kapitalismuskritik?!

Zum Leitartikel „Die gefährliche Schlagseite der Lützerath-Proteste“ von Christian Grimm im Haßfurter Tagblatt vom 13.01.2023 


Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrter Herr Grimm,

in Ihrem Leitartikel behaupten Sie, dass die Blockade von Lützerath ungut an die Protestkultur der 1970er und 1980er Jahre in Westdeutschland erinnere. „Endzeitstimmung paart sich mit Gewaltbereitschaft und Kapitalismuskritik“, so Ihre Eingangsworte.

Um es vorweg zu nehmen: Blockaden und Aktionen des zivilen Ungehorsams sind nicht mein Weg, um zu demonstrieren oder zu protestieren. Gewalt gegen Sachen oder gar Menschen (Polizei) lehne ich strikt ab. Und ich finde, dass es gefährlich ist, wenn sich Klimaschützer mit gewaltbereiten linken Gruppierungen einlassen.

Ich muss aber genauso feststellen, dass ich den Frust, die Enttäuschung und die Wut der Klimaaktivisten sehr gut verstehen kann.

Sie schreiben, dass „der Preis für das edle Ziel (gemeint ist der Klimaschutz) viel zu hoch ist.“ Zunächst finde ich, dass die Formulierung „edles Ziel“ völlig unpassend ist. Die drohende Klimakatastrophe abzuwenden ist kein „edles Ziel“, sondern ein „überlebens-notwendiges Ziel“.
Jetzt stufen Sie vielleicht meine Wortwahl ebenfalls als „Endzeitstimmung“ ein. Doch ich verwende nur die Wortwahl von vielen Wissenschaftlern oder auch von UN-Generalsekretär Antonio  Guterres (siehe Anlage).

In der Berichterstattung über Lützerath, wie auch bei den über die Proteste der sog. „Letzten Generation“ scheint mir der Fokus zu stark auf der Art der Proteste zu liegen. Die Klimaaktivisten wollen ja mit ihrem Protest aufrütteln und die Aufmerksamkeit auf die Vereinbarung und die Einhaltung der Pariser Klimaziele lenken. Doch bestimmte Politiker und leider oft auch Medien lenken den Blick in erster Linie auf die Protestformen, statt auf die Inhalte.

Seit Jahrzehnten wird vor dem Klimakollaps gewarnt und seit Jahrzehnten ist bekannt, was getan werden müsste. Es werden zwar seitens der Politik Ziele formuliert, doch tatsächlich wird viel zu wenig getan. Und das frustriert die Klima-Demonstranten und auch mich.

Was RWE und Lützerath angeht, wurde ein klassischer, politischer Kompromiss vereinbart (Kohleausstieg auf 2030 vorgezogen und dafür darf RWE die Kohle unter Lützerath verbrennen).
Doch das Klima verträgt keine politischen Kompromisse mehr!
Sie schreiben gleich unter der Überschrift „Warum die Klimaschützer bei ihrem Widerstand gegen die Zerstörung des Ortes großen Schaden in Kauf nehmen.“ Ich frage Sie: „Warum nehmen wir als Gesellschaft die furchtbaren Schäden in Kauf, die uns drohen, wenn wir die Erdüberhitzung nicht in den Griff bekommen?“
Fachleute bezweifeln, dass wir die Kohle unter Lützerath überhaupt zur Verstromung brauchen!

Was die Klimaaktivisten ebenfalls frustriert ist, dass die Politik durchaus bereit und fähig ist, zu handeln und zwar entschlossen, aber offensichtlich nicht beim Klimaschutz. Die Corona-Pandemie oder auch der russische Angriffskrieg auf die Ukraine haben gezeigt, dass die Regierung durchaus zu großen Einschnitten bereit ist und auch extrem viel Geld in die Hand nimmt. Was konsequenten Klimaschutz angeht, ist das jedoch nur unzureichend der Fall. Da schafft man es z.B. nicht einmal ein Tempolimit auf den Straßen einzuführen. 

Wundert Sie die Kapitalismuskritik der Klima-Demonstranten wirklich?
Am 16.01.2023 erschien im Haßfurter Tagblatt unter „kurz & bündig“ der kleine Artikel: „Oxfam: Superreiche und Konzerne sind Gewinner der Krise“. U. a. heißt es da: „Vom Vermögenszuwachs, der 2020 und 2021 in Deutschland erwirtschaftet wurde, entfielen 81 Prozent auf das reichste eine Prozent der Bevölkerung.“ (siehe Anlage)
Und die Politik geht da nicht ran. 

Und dann die Meldung vom 13.01.2023 im Haßfurter Tagblatt unter „Firmen & Fakten“ : „Flüge mit Privatjets sind 2022 in Deutschland auf ein Rekordniveau gestiegen.“(siehe Anlage)
Während maßgebliche Politiker oder eben Manager in ihren Privatjets in beheizten Ledersesseln sitzen, werden die am eiskalten Asphaltboden sitzenden Klimademonstranten in die Ecke von Terroristen geschoben, nur um von völlig unzureichenden politischem Handeln in Richtung echten Klimaschutzes abzulenken. 
Ich frage Sie: „Wer klebt hier eigentlich fest? Wer klebt an der völlig unrealistischen Vorstellung, ein bisschen Klimaschutz reiche?, oder der Vorstellung, wir könnten das Problem rein mit technischen Maßnahmen lösen?, oder es gäbe unbegrenztes Wachstum auf einen endlichen Planeten?
Wer begeht hier die eigentlichen Verbrechen - an unserer Schöpfung und an den nachfolgenden Generationen?

Die Klimaaktivisten sind völlig zu Recht in Endzeitstimmung. Weil ihre demokratisch gewählten Volksvertreter den Ernst der Lage nicht erkennen oder erkennen wollen, kämpfen sie mit dem Mut der Verzweiflung und mit dem Rücken zur Wand. Für eine zweifelhafte Zukunft. Und mit der Hoffnung, dass endlich, endlich ein gewaltiger Ruck durch Staat und Gesellschaft geht der in konsequentes Handeln mündet. Wer will es ihnen verdenken?

Mit freundlichen Grüßen

Thomas Ort
 

Autor/in:
Thomas Ort
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